Künstliche Intelligenz wird nicht zu Massenentlassungen führen, sondern die Arbeitsbedingungen der Geringqualifizierten verschlechtern. Erste Anzeichen sind bereits heute erkennbar. Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt: Was wir jetzt dagegen tun können in 2 Minuten.

Zugegeben, wir haben es auch gemacht. Als Künstliche Intelligenz letztes Jahr durch die Manage getrieben wurde, haben wir Videos und Artikel produziert um die Vorteile von Künstlicher Intelligenz im Unternehmen anzupreisen. Aus heutiger Sicht bereue ich, dass wir uns nicht kritischer mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Natürlich ist es praktisch, wenn ein Algorithmus passende Outfits ausspuckt oder Firewalls mit Maschine Learning sicherer werden. Leider wird die Schattenseite der Technologie, der Big Brother im Unternehmen, häufig übersehen.

Happy or Gone

So entwickelte das japanische Unternehmen Hitachi bereits 2015 einen tragbaren Sensor mit dem das Glück der Mitarbeiter mit Produktivität korreliert wird. Da angeblich Bewegungsaktivität mit einer positiven Stimmung zusammenhängt, lassen sich so „Glücks-KPIs“ erstellen um Arbeitnehmer zu noch produktiveren Mitarbeitern zu formen. Das Ganze wäre ohne die dahinterliegende Künstliche Intelligenz nicht möglich. In einer Gesellschaft, in welcher viele Arbeitnehmer unter starkem sozialem Druck leiden, ist die Vermessung der Privatsphäre ein weiterer Schritt in Richtung Dystopie. Man stelle sich das Mitarbeiterentwicklungsgespräch vor: Vorgesetze weisen auf hängende Mundwinkel hin oder geben Ratschläge zum persönlichen Lebensglück. Davon wird man nicht glücklicher.

Phantomklingeln am Handgelenk

Ein weiteres Produkt mit dem Creppy-Faktor kommt aus dem Hause Amazon. The Guardien berichtete, dass das Unternehmen bereits letztes Jahr ein Patent für ein Armband angemeldet hatte, welches die Handbewegungen der Logistikmitarbeiter aufzeichnet um diese durch Vibration in die Richtung eines gesuchten Pakets zu lenken. Das „habtische Feedback“ soll die Suchzeit verringern, Menschen auf Effizienz trimmen, bis diese irgendwann ganz durch Maschinen ersetzt werden. Was Amazon versuchte als Arbeitserleichterung zu verkaufen, ist in Wahrheit die endgültige Überwachung: Das Armband zeichnet selbstverständlich die Bewegungen der Mitarbeiter auf und gewährt so Einblicke in Arbeitszeit, Bewegungseffizienz, Pausen und vieles mehr. KI in der Arbeitswelt wird so unerträglich. Sollten diese Daten in Echtzeit ausgewertet werden, entstehen nicht nur vergleichbare Profile über die Arbeitseffizienz. Auch könnte die Maschine direkt Kontrolle über die Menschen ausüben. Macht ein Mitarbeiter eine Verschnaufpause, rüttelt der Arm, weicht er zu weit von der schnellsten Route ab, rüttelt der Arm, ist dieser deutlich langsamer als die Kollegen, es rüttelt der Arm.

Die wirklichen Verlierer

Vermutlich werden diese „effizienzsteigernden“ Maßnahmen vor allem Geringverdiener treffen. Im Vergleich zu den Kollegen aus dem Management fehlt nicht nur eine Lobby, sondern die Alternative. Die meisten Geringverdiener haben kaum Rücklagen und leiden prozentuell am stärken an Lohnkürzungen der sowieso geringen Einkommen. Auch können diese aufgrund fehlender Qualifikationen häufig nicht wechseln. Die Angst den Job zu verlieren ist dabei in Staaten mit gering ausgeprägter sozialer Absicherung am stärksten. Leider folgt daher häufig eine Verschlechterung der Arbeitsbedingung. Wer Angst hat durch das soziale Netz zu fallen erträgt im Zweifel Schikane und Entmenschlichung am Arbeitsplatz. Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt wird so zum Albtraum.

Was wir heute tun können

Unternehmen und Arbeitgeber können sich heute schon freiwillig dem Schutz der Privatsphäre der Mitarbeiter verpflichten. Das bringt nicht nur Vorteile für die Arbeitgebermarke, sondern legt die wahre Grundlage für Produktivität: Vertrauen. Damit dies kein Lippenbekenntnis bleibt, sollten Betriebsräte zu dem Thema geschult und Richtlinien aufgestellt werden. So können Unternehmen Transparenz über mögliche Überwachungsmaßnahmen schaffen und Mitarbeiter wenn möglich in die Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Dem Staat kommt an dieser Stelle die schwierige Aufgabe zu die Privatsphäre zu schützen ohne Künstliche Intelligenz als Innovationsmotor abzuwürgen. Eine mögliche Regulierung könnte die Verpflichtung zur Anonymisierung der Mitarbeiterdaten sein. So lassen sich Erkenntnisse und Maßnahmen aus den Daten ableiten ohne einzelne Personen zu gefährden.

Letztendlich sind wir alle in der Verantwortung. Solange wir unsere Daten nicht als intimen Teil unseres Privatlebens ansehen, werden Unternehmen unsere Privatsphäre weiter kommerzialisieren. Wir stehen in der Verantwortung für unser Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzutreten.